Predigt bei der Segnung im Mai 2013 von Pfr. Friedl Kaufmann
„Jeder Mensch ist einzigartig.“ Wir wissen das, wir akzeptieren das auch und halten das auch für richtig und wichtig.
Wenn jemand einzigartig ist dann begegnen wir ihm auch mit Respekt und Hochachtung und Wertschätzung. Und wir achten darauf, dass das Leben nicht verletzt, gebrochen wird.
Wir haben es auch im Evangelium gehört: Jesus schätzt die Einzigartigkeit der Kinder, ihre Natürlichkeit, ihre Unbefangenheit. Da geht es nicht um Leistung und Erfolg, da geht es um Menschsein. Eine Botschaft, die gerade auch heute - fast am Jahrestag des Ende des 2. Weltkrieges vor 68 Jahren - uns herausfordern und anregen soll, wenn wir anschließend das Euthanasiedenkmal segnen.
„Jeder Mensch ist einzigartig.“ Aber: Leben wir das auch? Ist bei unserer Lebensgestaltung und in unserem Umgang miteinander nicht oft etwas anderes im Vordergrund? Hätten wir die Menschen nicht gerne nach unserer Art, nach der eigenen Art und tun wir dann so, als ob diese eigene Art die einzig richtige Art ist, so nach dem Motto: „Jeder Mensch ist eigenartig!“
Wenn jemand eigenartig ist, dann probieren wir zu formen, zu biegen zu beeinflussen,
ihn so zu machen, wie er uns ins Konzept passt.
Das fängt im Kleinen an, kann aber und hatte auch verheerende Folgen. Die Opfer von Euthanasie im Dritten Reich waren einzigartige Menschen, die sich nicht biegen ließen, bei denen nicht mit Leistung gemessen werden durfte … und die Folge: Sie hatten keinen
Platz und durften keinen Platz haben.
Und weil sie nicht geformt werden konnten, weil wir sie nicht nach der Art formen konnten,
wie sie in das System passten, weil sie sozusagen „nicht von Nutzen“ waren, sondern kosteten, abverlangten … daher mussten sie weg. Sie wurden beseitigt, weil da eigenartige Menschen nicht akzeptierten: „Jeder Mensch ist einzigartig.“
Das Euthanasie-Denkmal vor der Kirche soll eine Erinnerung sein an damals, aber es soll vielmehr auch eine Anregung sein, eine Mahnung an uns: „Jeder Mensch ist einzigartig!“ und nicht: „Jeder Mensch ist eigenartig.“
7 Personen von Egg waren im Dritten Reich davon betroffen. 7 einzigartige Menschen.
Das Denkmal vor der Kirche hat 7 mal 7 Torsi, weil es das auch heute gibt, dass Menschen unter die Räder geraten, wenn der Maßstab zu sehr Leistung und Erfolg sind.
Und das kann sich dann multiplizieren.
49 Torsi – die an diesem Karfreitag, dem Tag von Leiden und Sterben Jesu, im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder gekommen sind und malträtiert wurden im Steinbruch in Lorüns von Baggern und großem, schwerem Gerät.
Aber auch an diesem Tag haben die zarten Strahlen der Sonne einen einzigartigen Glanz
auf diese Torsi gezaubert „Jeder Mensch ist einzigartig.“
49 Torsi – Am 50. Tag nach Ostern feiern wir Pfingsten. Vielleicht ist es gewagt, zu sagen,
dass da dem Wirken des heiligen Geistes kein Platz gelassen wird, wenn Menschen Opfer von Systemen werden - damals und heute. Denn da wird versucht, nur Menschenmögliches zu tun, und vergessen, was Gott an Gutem noch dazu getan hätte,
wenn ihm wirklich Platz gelassen worden wäre.
49 Torsi – rein Menschliches. Der 50. könnte der Göttliche sein, der Geisterfüllte, der, der uns lehrt: „Jeder Mensch ist einzigartig.“
Geschrieben ist dieses Zitat auf 4 Tafeln vor dem Denkmal. 4 – Symbol der Erde, des Menschen. Und Gott – und der Himmel? Das Denkmal mahnt und ermahnt uns, nicht nur auf Irdisches zu bauen. „Jeder Mensch ist einzigartig.“
Und heute: Gott sei Dank haben Menschen mit Behinderung Platz und Lebensqualität in unserer Gesellschaft und gibt es wertvolle Einrichtungen, die unterstützen und begleiten.
Gott sei Dank haben wir da soziale Einrichtungen und ganz viele Menschen mit sozialer Gesinnung, die durch ihr tun und ihr Engagement sichtbar machen: „Jeder Mensch ist einzigartig“
Aber: Welchen Platz hat menschliches Leben, wenn schon vor der Geburt eine Beeinträchtigung festgestellt wird?
Oder: Welchen Platz hat jemand, wenn er die geforderten Leistungen nur schwer oder gar nicht bringen kann? Gilt jemand da nicht zu schnell als Verlierer?
Sind da nicht Leistung und Forderungen so bestimmend, dass es nicht mehr möglich ist,
seine Einzigartigkeit zu leben, sondern durch die Eigenartigkeit anderer geformt zu werden?
Oder: Was geschieht heute nicht alles an Misstrauen, an übler Nachrede – so hinten herum, und Menschen geraten unter die Räder?
Oder: Wie schaut es aus, wenn jemand alt wird oder einfach abhängig wird und nicht mehr leisten, nicht mehr geben kann? Ist er dann ein Sozialfall, ein Empfänger oder vielleicht doch ein zu Beschenkender, der viele Jahre hindurch gegeben hat, und jetzt empfangen darf?
Dieses Denkmal für Euthanasie ist ein Mahnmal, eine Erinnerung an die Opfer damals und eine Herausforderung für uns heute.
Verinnerlichen wir uns diesen Spruch „Jeder Mensch ist einzigartig.“ und leben wir ihn!
Dann begegnen wir einander mit Wertschätzung und Respekt, mit Hochachtung und Würde. Und Vertrauen wir darauf, dass dieser Pfingstgeist uns dazu befähigt und uns immer neu geschenkt ist. „Jeder Mensch ist einzigartig.“
Pfarramt Egg und Großdorf
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